Am Samstag vor Pfingsten war im Filmclub Drosendorf der Regisseur Adrian Goiginger zu Gast mit seinem Film Der Fuchs. Es geht darin um die wahre Geschichte seines Urgroßvaters Franz, 12. Kind einer Bergbauernfamilie, der als Knecht an einen entfernten Bauernhof „verkauft“ wird, weil ihn die eigene Familie nicht ernähren kann. Mit der Großjährigkeit wird er aus dem Dienst entlassen und schreibt sich aus Ratlosigkeit bei der Wehrmacht ein. Der Krieg bricht aus, Franz muss an die Front, findet in Frankreich ein Fuchsjunges neben der verendeten Fähe und nimmt es mit. Der beziehungsgestörte Mann entwickelt eine starke Bindung zu dem Tier. Als er jedoch nach Russland verlegt wird, muss er den ausgewachsenen Fuchs zurücklassen (an dieser Stelle weint das Publikum).
In dem Film gibt es eine Geschichte über den Tod, die mich berührt hat: zu Beginn wird die Bergbauernkindheit des kleinen Franz nachgespielt. Der Filmbub liegt krank im Bett und fragt seinen Filmvater (Karl Markovics), ob er Angst vor'm Sterben hätte. Der Vater verneint und meint, man müsse nur die richtige Vereinbarung mit dem Tod treffen. Dann erzählt er dem Buben die Geschichte eines Bauern, dem es gelungen ist, den Tod in eine Scheune zu sperren. Um frei zu kommen, muss der Tod ihm eine Garantie über die noch verbleibende Anzahl seiner Lebensjahre geben. Der Tod willigt ein, und der Bauer wünscht sich noch 20 Jahre zu leben. Nach seiner Befreiung wundert sich der Tod, warum der Mann nicht 100 Jahre verlangt hätte. Der Bauer entgegnet, noch 20 Jahre Plackerei auf dieser Welt wären genug.
Bevor ich an jenem Abend schlafen gegangen bin, dachte ich an meinen todkranken Schwager mit den Worten: „Hoffentlich schafft's der Renald bald!“. Es ging ihm bereits sehr schlecht, doch konnte er zumindest noch zu Hause betreut werden. Am Morgen rief Margarethe an und sagte:„Cordl, der Renald hat's letzte Nacht geschafft!“.
🦊🦊🦊
Gestern, am 4. Juli 2023, wurde gewiss, dass nun auch Werner Korn den Übertritt geschafft hat. Offenbar bin ich die letzte Person, die bei ihm gewesen ist. Er hatte mich eingeladen, „nach dem Grand-Prix“ vorbeizukommen. Wir haben ganz normal geplaudert, kein Jammern, obwohl er ziemlich schwach war, weil er seit Wochen nichts mehr essen konnte. Die Hoffnung lag bei einer eventuell aufschlussreichen Nierendiagnose in den kommenden Tagen. Als wir uns verabschiedeten, hatte ich nicht den leisesten Gedanken daran, dass wir zum letzten Mal miteinander gesprochen haben könnten.
Nachdem ich kurz Sara, Dieter und Angélica im echoraum gesehen hatte, ging ich im Abendlicht durch den Schönbrunner Schlosspark. im botanischen Garten, auf dem Weg zur Gloriette, lief mir ein kleiner Fuchs über den Weg.
🦊🦊🦊
Meine Nichte Laura schenkte mir daraufhin das Buch Füchse. Ein Portrait von Karin Schumacher. Darin gibt es viele Sichtweisen auf den Fuchs, schöne und schlimme Geschichten, wie z.B. über das Fuchsprellen (1751) als sportlich-erotisches Vergnügen adeliger Jugendlicher mit hunderten getöteten Füchsen. Und folgende Passage:
Die ältesten mythologischen Fuchsspuren auf dem Globus führen nach Ägypten und sind über sechstausend Jahre alt. Hier soll die Sonne, wenn sie gesunken ist, in einer Barke von Schakalfüchsen unterirdisch von West nach Ost gezogen werden, um dort anderntags wieder aufzugehen. Im Aztekenglauben werden die Verstorbenen von einem roten Fuchshund über den Todesfluss in die Unterwelt geführt, und im Hinduismus kennt man diverse Schakal- und Fuchsgötter, die mit der Todes- und Erneuerungsgöttin Kali verbunden sind. Allen alten Fuchsmythen gemeinsam ist die Verbindung mit Tod und Fruchtbarkeit, mit Nacht und Sonne, mit dem Auferstehen und dem Verwandeln. Und allen gemeinsam ist das Schillern zwischen Gut und Böse, Schadenstifter und Glücksbote, das in jedem Land eine fast zufällige Tendenz anzunehmen scheint.
Füchse. Ein Portrait von Karin Schumacher. Berlin 2022, S. 95
🦊🦊🦊
Unlängst bei einem Spaziergang auf den Steinhofgründen kamen plötzlich zwei Rehe aus dem Wald. Ich dachte kurz: „Ah, diesmal kein Fuchs“ und blieb stehen, um sie nicht zu erschrecken. Sie ästen mitten auf der Wiese und ließen sich auch nicht stören, als aus der anderen Richtung eine Frau kam und sie fotografierte. So ging auch ich weiter. Als wir einander begegneten, lächelte mir die Dame zu und sagte unvermittelt:„Füchse gibt es hier ja leider keine mehr“. Mein heruntergeklapptes Kinn irritierte sie ein wenig, doch sie fuhr fort, dass ihr an der Stelle, an der ich gerade stand, vor einigen Jahren immer wieder ein kleiner Fuchs begegnet wäre.
Über die Fuchsspur im Neuschnee Anfang Dezember unweit des Grabs von Andreas am Friedhof Ottakring war ich dann nicht mehr erstaunt, im Gegenteil, sie beruhigte mich.
🦊
Mein Trio mit noid (cello) und wolfgang fuchs (turntables) heißt boesze:fuchs:noid, eine meiner langjährigsten Freundinnen ist die Dirigentin und Musikerin Clementine Fuchs. Ja und meine Großmutter hieß mit Mädchennamen Liška.
🦊🦊🦊
Kommentar schreiben